Gesundheitsnetz Rheingau e.v

Heuschnupfen

von Dr.med. Henrik C. Witt

Allergien sind weiter auf dem Vormarsch

Der Heuschnupfen

In den letzten Jahren ein deutlich zunehmendes Problem: der Heuschnupfen- medizinisch wird er als Pollinosis bezeichnet. Immerhin 20- 25% der deutschen Bevölkerung leiden darunter. Die ersten wärmeren  Frühlingstage erfreuen die Menschen und werden gleichwohl vielen Patienten zur Leidenszeit. Niesanfälle, Fliesschnupfen und zusätzlich Augenreizungen entwickeln ich bei einigen Allergikern bereits ab Ende Januar. Die ersten Beschwerden werden durch den Pollenflug von Hasel und Erle ausgelöst. Doch für viele Patienten kommt es noch schlimmer: mit dem Flug der Birkenpollen ab Ende März treten bei manchen Betroffenen heftige Reaktionen und Reizungen der oberen Atemwege und Bindehäute auf. Bereits ab Juni wird die Gräser- und Getreidepollenblüte für viele Allergiker erneut zur Belastung.

Interessanterweise ist die Pollenbelastung nicht jedes Jahr gleich.Wie Beobachtungen zeigen, weist das Jahr 2011 eine extrem starke Belastung durch Birkenpollen auf. Verantwortlich hierfür sind in erster Linie bestimmte Witterungsabläufe, aber auch biologische Schwankungen im Vegetationsablauf der Baumblüte. Wichtige Informationen zum aktuellen Pollenflug findet man in den meisten Tageszeitungen oder im Internet unter www.dwd.de/ pollenflug. Inwieweit die Klimaerwärmung insgesamt eine zunehmende Pollenbelastung auslöst, wird übrigens noch kontrovers diskutiert.

Neben den Atemwegsbeschwerden entstehen bei  vielen Allergikern auch Symptome nach dem  Verzehr bestimmter Nahrungsmittel. Dieses Phänomen bezeichnet man als Kreuzallergie. Besonders bekannt sind diese Kreuzreaktionen zwischen Birke und verschiedenen Obstsorten (Kern- bzw. Steinobst z. B. Apfel, Pfirsich, Aprikose). Meist treten Juckreiz und Schwellungen bereits im Mund- und Rachenbereich nach dem Genuss entsprechender Obstsorten auf (Orales Allergiesyndrom, abgekürzt OAT). Andere Menschen reagieren dagegen mit Übelkeit oder Durchfällen auf den Konsum allergieauslösender Nahrungsmittel. Selten kann sogar eine Nesselsucht oder ein allergischer Schock die Folge sein.
Leider betrachten viele Menschen den Heuschnupfen immer noch als Bagatellerkrankung.

Dabei sollten die möglichen Folgen eines Heuschnupfens nicht unterschätzt werden!  Die Beschwerden oberen Atemwege können schließlich Vorboten einer allergischen Erkrankung der unteren Atemwege, sprich der Bronchien sein: das allergische Asthma. Dies bezeichnet man als  ''Etagenwechsel'' der Erkrankung. Immerhin 40% aller Heuschnupfenpatienten entwickeln Symptome eines allergischen Asthmas, häufig erst nach einigen Jahren. Aus diesem Grund ist es ratsam, bei Verdacht auf Heuschnupfen frühzeitig einen allergologisch tätigen Arzt aufzusuchen, welcher das  Beschwerdebild abklären kann. Hilfreich für den Allergologen ist die Vorlage eines Beschwerdetagebuchs, in dem der Patient die Art und Intensität der Beschwerden während der Pollenflugsaison angibt. Meist erfolgt zur weiteren Abklärung ein Hauttest, der sogenannte Pricktest. Dabei wird eine kleiner Tropfen eines flüssigen Allergenextrakts auf die Haut des Unterarms aufgetragen. Darauf folgt ein oberflächliches Anritzen der Haut mit einer spitzen Lanzette. Entwickelt sich im Testfeld daraufhin eine Quaddel mit Rötung und Juckreiz, so liegt eine Sensibilisierung vor: die Allergie ist nachgewiesen.

Gelegentlich ist eine geschilderte Allergie allerdings nicht im Hauttest nachweisbar. In diesen Fällen kann eine weiterführende Blutuntersuchung, der RAST- Test Klarheit schaffen. Bei diesem Test werden Antikörper gegen Pollen oder andere Allergene (z.B Tierhaare) nachgewiesen. Andererseits finden sich im Hauttest auch einmal positive Reaktionen, ohne dass überhaupt Beschwerden bestehen! In diesem Fall spricht der Allergologe von einer versteckten (latenten) Sensibilisierung. Nicht selten entwickeln sich im Laufe der Zeit dann aber noch die typischen Symptome der Allergie.

Die beste Allergietherapie ist die Meidung des Kontakts mit dem betreffenden Allergen, die sogenannte Karenz. Bei frei umherfliegenden Baum- und Gräserpollen ist die völlige Meidung allerdings kaum möglich. Pollenfilter in Autolüftungen können die Beschwerden zwar reduzieren, doch wer kann schon die Pollenflugsaison in gefilterten oder ungelüfteten Raum verbringen? Allerdings stehen heute eine Vielzahl effektiver und gut verträglicher Medikamente zur Verfügung, welche den Heuschnupfen und auch die anderen Beschwerden lindern. So sind antiallergische Nasensprays und Augentropfen in vielen Darreichungsformen rezeptfrei erhältlich. Die ebenfalls frei verkäuflichen Antihistaminika in Tablettenform sind wichtige und nebenwirkungsarme Medikamente bei leichtem bis mäßigem Beschwerden. Eine langfristige Besserung verspricht die spezifische Immuntherapie, auch Hyposensibilisierung genannt. Die Hyposensibilisierung wird üblicherweise als Injektionstherapie oder in Form von Tropfen verabreicht. Seit einigen Jahren steht auch eine Tablettenvariante zur Verfügung. Die Behandlung besteht in der Gabe von geringen Mengen des auslösenden Allergens (z.B. Birkenpollen)  im Abstand von Tagen oder Wochen. Als Folge der andauernden schwachen Allergenbelastung gewöhnt sich der Organismus an das Allergen und toleriert es besser. Die Beschwerden lassen nach. Die Therapie benötigt allerdings Zeit: sie wird üblicherweise 3 – 5 Jahre lang durchgeführt. Dafür sind die Erfolgsaussichten sehr gut : bei über 90% der Patienten können die Allergiebeschwerden nachhaltig gebessert und die Entwicklung eines Bronchialasthmas verhindert werden.

Dr. med. Henrik C. Witt

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